Katalogtext zu Emö Simonyi 1983-1993, Galerie Helmut Leger, 1993
 

Emö Simonyi, gebürtige Ungarin, lebt seit 1971 in München. Viele Grenzen hat sie in Ihrem Leben überschritten. Als Designer verdiente sie ihr Geld - daß sie in London 1968 den ersten Preis im internationalen Wettbewerb für "Best Design of the Year" bekam, möchte man angesichts der Bilder und Zeichnungen aus den elf Jahren in dieser Ausstellung kaum glauben. Die explosive Kraft ihrer Bilder - viele bersten geradezu vor den Fleisch gewordenen Schreckgespenstern ihrer aufmerksam wahrnehmenden Phantasie - sind doch das andere Extrem.

Formale Spannungen, geballtes Chaos, farbige Explosionen. Was Simonyi schildert, kommt aus dem Pulverfaß, sprengt Vorstellungen und Phantasien. Der Mensch als Ungeheuer und die Ungeheuer als Menschen: das scheint ein und dieselbe Wurzel zu haben.

Ideale Vorstellungen gibt es nicht: Simonyis Wahrheiten, kraftvoll in die Bilder geschleudert, sind uralt, finden sich in vielen Kulturen. Kaum eine, für die sie sich nicht interessiert. Bei den Papuas, sagt sie im Gespräch, gebe es eine zwanghaft-rituale Menschenfresserei: Die Eltern eines Opfers zwingen den Mörder, das Fleisch des Opfers aufzuessen... Dann springt sie zu Goya, zu mexikanischen Götzenbildern - die Vogelkopfnase, die einige ihrer "Köpfe" und Gestalten tragen, sind für sie Phänomen einer Wiederkehr; die Anregungen kommen aus der Prähistorie, aus paläontologischen Vorstellungen. Der Totenkopf in dem Bild " Frau mit Maske " ist für sie ein Gehäuse - ich mußte an Gasmasken denken. Dann wieder malt sie den " Singenden Hund" - eine Erinnerung an ihren Besuch in den Resten des untergegangen Pompeji:

Sucht Simonyi oder findet sie könnte man sich fragen - und hier verschmelzen die Grenzen regelrecht. Sie verschmelzen auch zwischen dem Heute und der Vergangenheit. Was da einströmt an Last der Zeiten - sie benutzt es nicht zum Argumentieren, nicht zum Erklären.

Ihre so emotionsgeladenen Bilder, die immer wieder die Fratze des Menschen zum Thema haben, ereignen sich in Ausbrüchen und in extremen Visionen. Der Mensch, das größte Ungeheuer aller Zeiten - in dem sich alles in alles verwandelt, um auseinanderzubrechen und doch als geballtes Unheil in den Bildern bleibt, so farbig und gewalttätig diese sich geben.

Die dargestellten Schrecken, die Monstrositäten sind nicht um ihrer selbst willen da: sie sind Bilder eine Gegenwehr - apotropäische Bilder des 20. Jahrhunderts. Der uralte Abwehrzauber wird in den Bildern von Emö Simonyi präsent wie eh und je, ihr spontaner Kraftaufwand nimmt den Kampf mit der Bestie Mensch wieder auf. Daß Simonyi das schafft, führt heute noch vorhandenen Fortschrittsglauben völlig ad absurdum.

Doris Schmidt
 

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