visions of a new morning, Eine Ausstellung mit zwölf israelischen und zwölf deutschen Künstlern.
Edition Braus, Heidelberg 1996, S.77-80

Emö Simonyi

Emö Simonyi ist eine leidenschaftliche Erzählerin. Darin unterscheidet sich die Privatperson nicht von der Künstlerin. In Kunst und Leben bevorzugt Emö Simonyi phantastische und skurrile Geschichten. Mit leichter, schneller und manchmal sogar hektischer Hand bannt sie Kobolde, Vogelmenschen, Titanen oder Gnome aufs Papier. Viele Jahre hindurch ist die Zeichnung, meist sogar die asketische Tuschezeichnung, ihr Medium gewesen. Seit Mitte der 80er Jahre überträgt Simonyi ihren expressiven Stil auch auf die Malerei.
Paar-Figurationen, mythisch-märchenhafte Konstellationen und phantastische Geschichten mit komischen bis ironischen Untertönen beherrschen ihre meist großformatigen Leinwände. Selten ist sie mit einer Version eines Themas zufrieden. In immer wieder neuen Ansätzen treibt sie Zeichnung und Komposition in die Abstraktion oder Farbe und füllt das Bild mit fulminanter Malerei.
Den narrativen Teil ihrer Seele muß Emö Simonyi niederkämpfen. Ruhe findet sie, so paradox das klingen mag, erst in der Explosion der Farben. Der Farbenrausch löscht den Drang, eine Geschichte immer weiter zu spinnen, und in immer monströsere Ereignisse zu treiben. Landschaften und Stilleben-Konstellationen sind die Sujets, die sich für die gestenreiche Farbmalerei anbieten, zugleich die Wurzel bildend, mit denen sich Simonyi in der Kunstgeschichte verankert. Die Ausbildung an der Kunstakademie Budapest im sozialistischen Ungarn vermittelte ihr das akademische Handwerk und weckte gleichzeitig ihren Widerspruchsgeist gegen stures Übertragen gipserner Vorbilder auf aktuelle Vorlagen. Seither ist Emö Simonyi nachhaltig sprunghaft und mag sich auf nichts festlegen, was unveränderlich zu sein scheint. "In-Bewegung-Bleiben" ist ihre Lebensdevise, die als vielfach gebrochenes Eben- und Gegenbild in ihrer Malerei zu finden ist. Seit 1971 lebt Simonyi in München, aber seßhaft ist sie dort trotzdem nicht geworden. Wie ein Zugvogel wanderte sie über Jahre hin zu allen verfügbaren Arbeitsmöglichkeiten und nutzte jedes freie Atelier, das sich ihr anbot. Vor drei Jahren ließ sie die hektischen Ortswechsel einfließen in die Möglichkeit eines steten Rhythmus: sie baute sich in Ungarn wie in Italien ein Haus zum Wohnen und Arbeiten aus. Seither wechselt sie zwar weiterhin die Orte, ist aber dennoch immer zu Hause.

        Heinz Thiel


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