Emö Simonyi: Marburger Forum
Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart  Jg. 3 (2002), Heft 4


Marburger Kunsthalle: Paperworks. Emö Simonyi, Eckhard Froeschlin, John Fischer (29.6. - 4.8.2002) - Kunst Profile 2002 Teil 1, LOKAL (28.6. - 8. 8.2002)

 

Paperworks zeigt Arbeiten - jeweils auf Papier - von drei Künstlern, die, international bekannt, Dozenten an der Marburger Sommerakademie sind. Die Akademie, 1977 auf Anregung Luisa Bilands gegründet, feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen (s. das Vorwort zum Katalog von Egon Vaupel, Bürgermeister und Kulturdezernent der Stadt Marburg und Dr. Gerhard Pätzold, Leiter der Kunsthalle).

Emö Simonyi, 1943 in Budapest geboren, lebt in München. Sie bemalt Kartons, "die nicht als einzelnes Element ein Eigenleben führen, sondern erst durch das Ineinanderschachteln und Übereinanderbauen der einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammenwachsen" (Karin Stichnothe-Botschafter/Britta Sprengel in ihren Erläuterungen zu den Künstlern, Katalog, S. 24). Die "MalereiSkulpturen" sind teilweise mehr als drei Meter hoch - die in Marburg gezeigten erreichen immerhin 2,80 m - , ihre Farben zeigen eine gewisse Verwandtschaft zu den "Neuen Wilden" (s. Katalog, S. 24).

Emö Simonyi: Tod

Sieht man die Kuben der Kartons, so stellt sich unwillkürlich eine kindliche Erinnerung ein, nämlich an kleine Würfel, deren sechs Flächen jeweils mit einem anderen Bildausschnitt eines Märchenmotivs beklebt waren. Die Aufgabe bestand natürlich darin, die insgesamt vielleicht sechsunddreißig Teile richtig zusammenzufügen, um eine Szene aus "Hänsel und Gretel" oder dem "Gestiefelten Kater" zu erhalten. Bei Emö Simonyi geht es raffinierter zu, schon weil die Würfel hier wirklich in den Raum treten und nicht nur Träger einer Farbfläche sind. Aber die Größe der Karton-Plastiken und der ungeschützt-"naive" Ausdruck ihrer Bemalung synthetisiert sich zu einem merkwürdigen Ergebnis. Gewaltsames und Kindliches gehen eine Verbindung ein, deren Expressivität eine innere Schicht des Betrachters anrührt. Die sich einstellende Wehmut resultiert nicht nur aus dem dargestellten Schmerz etwa eines aufgerissenen Mundes mit blutigen Zähnen ("Gefallene"), sondern stammt auch aus einer direkt nicht wahrnehmbaren Zone des Mythischen oder Märchens, in der nach wie vor archetypische Gesten, Gefühle und Situationen gespeichert sind. Offenbar dringt Emö Simonyis Kunst in diesen Bereich vor und stimuliert in ihm eine Resonanz.

Emö Simonyi: Gefallene

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Max Lorenzen